Sicher hatte jeder von uns 8 Teilnehmern der Indienhilfe Deutschland seine eigenen Zweifel, als wir den Entschluss fassten, nach Indien zu reisen. Wir folgten einer Einladung von Father Franklin, uns vor Ort selbst einmal ein Bild über die durch Spenden finanzierten Projekte zu machen. „Was wird mich dort erwarten?“ „Wie werde ich mit der Not und dem Elend, dem ich dort begegnen werde, umgehen?“ „Wie werde ich es schaffen, den uns so fremden Menschen, möglichst unbefangen und offen gegenüber zu treten?“ „Was erwarten die Menschen dort von mir?“
Als wir in Mumbai landeten, empfing uns Father Franklin so herzlich wie langjährige, beste Freunde, dass wir uns sofort „zu Hause“ fühlten. Er nahm uns an die Hand und zeigte uns in den folgenden zehn Tagen, was er mit seinen Brüdern und Schwestern der „Pilar Fathers“ – und nur gefördert durch Spendengelder – in den über 40 Jahren seiner Tätigkeit im Dienst der Ärmsten geschaffen hat.
Was ich wirklich erlebt habe
Nach meiner Rückkehr möchte ich erzählen, was ich dort wirklich erlebt habe: Ja, ich habe unbeschreibliches Elend, Not und Krankheit gesehen! Aber ich habe auch gesehen, dass es einen Ausweg gibt. Man kann helfen!
Ich habe viele Menschen gesehen, denen Father Franklin und seine unermüdlichen Helfer eine Perspektive geben konnten. Allein im Raum Bhopal betreuen die Pilar Fathers im Rahmen des Projektes „Bildung gegen Armut“ liebevoll mehr als 1.100 Kinder. So habe ich fröhliche und unbeschwerte Kinder erlebt, die eine Schule besuchen können, ohne sich Sorgen um das tägliche Überleben machen zu müssen. Kinder, die einfach Kinder sein dürfen. Ich habe junge Mädchen gesehen, die – kichernd wie alle Teenager – Tänze vorführen. Mädchen, die ihre Jugend erleben dürfen – anstatt bereits mit 10 oder 12 Jahren verheiratet zu werden, um als billige Kraft in der Familie des Mannes arbeiten zu müssen und mit 13 Jahren zum ersten Mal Mutter zu werden. Man kann sich kaum vorstellen, dass alle diese unbefangenen Kinder und Jugendlichen eine Vergangenheit als Müllsammler, Bettler oder Straßenkinder haben. Sie wurden von Ihren Familien ausgesetzt, da diese sie nicht mehr ernähren konnten. Sie sind Waisen oder Kinder Verstossener oder aber Kinder aus Familien, in denen Gewalt, Alkohol- oder Drogenkonsum vorherrschen. Ich habe die fröhliche Herzlichkeit Leprakranker erlebt, die in Frieden und Sicherheit leben können und nicht länger als Ausgestoßene der Gesellschaft um Almosen betteln müssen.
Father Franklin wird nicht müde, diesen Menschen zu erklären, dass ihr Zustand keine Strafe der Götter ist, für den sie sich schämen müssen, sondern dass es sich bei Lepra um eine Krankheit handelt, die man behandeln kann. Er versorgt sie mit den erforderlichen Medikamenten, um die Krankheit zum Stillstand zu bringen und gibt Ihnen vor allem das Gefühl – so wie sie sind – geliebt zu werden. Allen diesen Menschen gibt er ein zu Hause, kleidet, ernährt und unterrichtet sie. Aber er gibt Ihnen auch Anleitung zur Selbsthilfe.
Ich habe die Freude und Dankbarkeit der Obdachlosen auf Kalkuttas Straßen gesehen, die nur durch eine warme Mahlzeit und ein Glas sauberen Wassers überleben, das die Pilar Fathers unter dem Motto „One Meal A Day“ jeden Morgen unter den Ärmsten der Armen verteilen.
Alle diese Menschen – vom kleinen Kind bis zum Greis – haben es mir durch ihre Offenheit und Herzlichkeit leicht gemacht, auf sie zuzugehen, mit Ihnen zu sprechen und sie zu berühren. Wir haben gemeinsam geweint, gelacht, gesungen und getanzt. Und überall habe ich diese beschämende Gastfreundschaft erlebt – wo wir auch erschienen, wir wurden als Freunde aufgenommen – und als Ehrengäste aus einem fernen Land verehrt und gefeiert. Auch in der einfachsten Hütte wurde mit uns geteilt.
Ich bewundere die Armen, Kranken und Ausgestoßenen für die Geduld, mit der sie ihr Schicksal ertragen. Aber auch für ihre Energie, mit der sie kämpfen – wenn man Ihnen nur eine Perspektive gibt. Vor allem aber bewundere ich die zahlreichen Helfer, die ihr Leben ganz in den Dienst der Hilfsbedürftigen stellen. Sie sind rund um die Uhr Ansprechpartner für die kleinen und großen Sorgen ihrer Schützlinge .
Allen diesen Menschen möchte ich danken. Ich bin froh, sie kennen gelernt zu haben. Viele baten mich, euch von Ihnen zu erzählen – damit sie nicht vergessen werden.
Ich habe es ihnen versprochen.
Diese Reise hat mich davon überzeugt, dass alles, was wir für sie tun, richtig ist. Jeder Euro ist hier sinnvoll eingesetzt. Jeder Euro kann ein Lächeln zaubern.
Ein Sprichwort sagt: Auch der weiteste Weg beginnt mit einem kleinen Schritt. Lasst uns gemeinsam diesen Weg weitergehen – auch wenn er noch so weit ist – er führt in die richtige Richtung.
In Indien verabschiedet man Gäste mit der Frage: „Kommst du wieder?“
Ich sagte: „Ja“
Näheres über die Indienhilfe Deutschland.
Was für ein wunderschöner Bericht, liebe Jette! Vielen Dank dafür – sehr bewegend.